Warum nicht gleich ein Wahlrecht mit 10 Jahren?
“Kinder an die Macht!” - In Berlin und Niedersachsen wird aktuell - mal wieder - ganz unbefangen über die Absenkung des Wahlalters diskutiert. Wählen mit 16 Jahren? Vielleicht sogar schon ab 14 oder 12 Jahren?
Es stellt sich doch die Frage, wie das aktive und passive Wahlrecht frei von politischem Manipulationsverdacht festgelegt werden kann. Und sollte dabei nicht Akzeptanz für diese wichtigen Regelungen entwickelt und ein Wahlrechtsflickenteppich in Deutschland vermieden werden?
Die Argumente für eine Absenkung des aktiven Wahlalters sind bekannt und werden wiederholt:
Junge Menschen sind ganz plötzlich so Politisch (Klima, Umwelt etc.)
Interessen von jungen Menschen müssen doch unbedingt auch hinreichend im politischen Diskurs berücksichtigt werden
Mit der Absenkung des Wahlalters macht man Lust auf Politik und Jugendliche engagieren sich ganz eifrig für die Politik
Schwelle des Kindseins wird nicht erst mit 18 Jahren überschritten
Mit 14 Jahren darf jede/jeder schon in Parteien eintreten
Es müssen die Menschen beteiligt werden, die mit den Folgen der politischen Entscheidungen noch lange zu leben haben.
Was sind Argumente dagegen?
· Persönliche Reife der Jugendlichen soll fehlen
· Politische Bildung sei nicht hinreichend gegeben
· Benachteiligung von „bildungsfernen“ Gruppen junger Menschen.
Es ist m. E. der Frage schlüssig nachzugehen, welche Kriterien gefunden werden, um der Festlegung des Wahlalters das Argument der „parteipolitischen Instrumentalisierung” zu entziehen.
Werden Jugendliche und ihre Themen wirklich ernst genommen oder geht es nur um die “Verschiebung” von Wahlergebnissen?
Ab welchem Alter sind denn die Jugendlichen nun reif genug, um zu wählen? Und warum werden Jugendliche von Jahrzehnt zu Jahrzehnt früher reifer? Wann also Wahlrecht ab 10 Jahren? Und warum wird dann unreifen Erwachsenen das Wahlrecht nicht entzogen?
Wer beurteilt Wahlreife?
Brauchen wir einen Wahlreifführerschein?
Ab welchem Alter haben denn Jugendliche eigentlich Interesse an politischen Prozessen in den Kommunen, im Land, im Bund? Haben Jugendliche im Alter zwischen 14 und 18 Jahren ein überdurchschnittlich hohes oder niedriges Interesse an Politik? Muss dann anderen Altersgruppen das Wahlrecht entzogen werden, sollte sich ein unterdurchschnittliches Interesse an Politik abzeichnen? Nach welchen Kriterien wird das gemessen?
Akzeptiert nicht unser Wahlsystem, dass es auch politikferne Menschen geben darf, ohne die Sanktion des Wahlrechtsentzugs?
Dei Senkung des Wahlalters würde die Wahlbeteiligung wechselnd in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Das demokratische Wahlrecht besteht allerdings unabhängig von der Ausübung und der Wahlbeteiligung (es gibt auch “zufriedene” Nichtwähler)..
Die Entkoppelung des Wahlalters von der Volljährigkeit führt zu völlig willkürlichen Altersgrenzen. Fraglich, warum der über die Geschicke der Gesellschaft mitentscheiden soll, dem die Gesellschaft die Volljährigkeit verweigert, ihm gerade noch nicht zutraut, sein eigenes Leben in voller Verantwortung zu regeln.
Ist es demnach überhaupt sinnvoll, aktives und passives Wahlrecht im Hinblick auf das Alter zu trennen? Bei den Minderjährigen bleibt es bei dem Widerspruch zwischen der Freiheit des Mandats und der Einschränkung ihrer Entscheidungen durch Eltern und den Jugendschutz.
Die Volljährigkeitsgrenze hat sich bewährt. Wenn eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre erfolgen soll, muss die Volljährigkeitsgrenze geändert werden.
Quelle Zeitungsbericht GZ-Online vom 21.04.2022