Wissenschaftlicher Beitrag zur verfassungsrechtlichen Problematik der Hybridsitzungen von kommunalen Gremien
Aktueller wissenschaftlicher Beitrag von Prof. Dr. Oliver Junk und Arkadiusz B. Szczesniak
Abstract:
Keine Rückkehr ins vordigitale Zeitalter – zur Notwendigkeit von Hybridsitzungen in den Kommunen auch in der Post-Covid-Zeit
Die Covid-19-Pandemie hat kommunale Gremienarbeit massiv verändert. Durch Hybridsitzungen haben die Kommunen einen entscheidenden Beitrag bei der Bewältigung der Covid-19-Pandemie geleistet und Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit bewiesen.
Die Landesgesetzgeber haben inzwischen nicht nur rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, um digitale Gremienarbeit auf kommunaler Ebene in Pandemie-Zeiten rechtssicher zu ermöglichen, sondern diskutieren darüber, ob Hybridsitzungen dauerhaft für kommunale Gremiensitzungen zu etablieren sind.
Stärken hybride Sitzungen die schwächelnden lokalen Demokratien, weil sie im veränderten Informationszeitalter Transparenz im kommunalen Willensbildungsprozess schaffen, neue niederschwellige Zugänge Lust auf Kommunalpolitik machen und die Teilnahme an Sitzungen für Abgeordnete und Öffentlichkeit erheblich erleichtert wird?
Oder unterliegen sie vielmehr verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der virtuelle Raum intransparent ist, Abgeordnete sich der Kontrolle der Öffentlichkeit entziehen und der demokratische Willensbildungsprozess negativ beeinflusst wird?
Die Verfasser beschreiben die Praxiserfahrungen mit Hybridsitzungen und prüfen, ob die Sitzungsform gegen das aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip folgende Öffentlichkeitsprinzip verstößt.
Erörtert werden Eingriffe in die demokratische Willensbildung, die Einschränkung der freien Rede, die veränderte Sitzungsdynamik und Sitzungskultur, Kontrolle der Abgeordneten sowie Partizipationsmöglichkeiten.
Besonderer Beachtung wird der „schwarzen Kachel“ geschenkt, ein inzwischen „etabliertes Nutzerverhalten“ bei Hybridsitzungen.
Die Verfasser kommen zum Ergebnis, dass die Hybridsitzungen den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Öffentlichkeitsprinzips gerecht werden. Die Gesellschaft hat sich hinsichtlich der Beschaffung von Informationen dramatisch verändert. Damit bestehen nicht nur neue Möglichkeiten, sondern auch neue Notwendigkeiten für Transparenz und öffentliche Kontrolle, mithin die Notwendigkeit für ein ergänztes und verändertes Öffentlichkeitsverständnis.
Dem Öffentlichkeitsgebot kommt eine derart zentrale Rolle für die Demokratie zu, dass durch die Digitalisierungschancen dem veränderten Informations- und Kommunikationsverhalten der Bürgerschaft Rechnung getragen werden muss. Hybridsitzungen sind kein „nice to have“, sondern „must have“.
Zu den Verfassern:
Prof. Dr. Oliver Junk studierte von 1996 bis 2001 Rechtswissenschaften in Marburg/Lahn und Bayreuth. Nach dem Ersten und Zweiten Juristischen Staatsexamen (2001 und 2003) in Bayreuth machte er zusätzlich einen Abschluss als Wirtschaftsjurist an der Universität Bayreuth (2005) und wurde mit einer kommunalrechtlichen Arbeit zum Thema „Das Konnexitätsprinzip in der Bayerischen Verfassung (2006) promoviert. Das Kommunalrecht kennt Prof. Dr. Oliver Junk auch aus der Praxis. Von 2002 bis 2011 war er ehrenamtlicher Stadtrat der Stadt Bayreuth, von 2011 bis 2021 hauptamtlicher Oberbürgermeister der Stadt Goslar. Seit Februar 2022 ist Prof. Dr. Oliver Junk mit der Vertretungsprofessur für Verwaltungsrecht, Schwerpunkt Kommunalrecht, an der Hochschule Harz beauftragt.
Verwaltungsfachwirt Arkadiusz B. Szczesniak wurde 1987 in Rybnik/ Polen geboren und lebt seit 1989 in Goslar. Nach seiner Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten bei der Stadt Goslar hat er 2011 die Fortbildung zum Verwaltungsfachwirt erfolgreich abgeschlossen. Seit 2013 ist er im Stab des Hauptverwaltungsbeamten der Stadt Goslar tätig und verantwortlich für kommunalrechtliche Grundsatzangelegenheiten. Nebendienstlich unterrichtet er Verwaltungsfachangestellte und Verwaltungswirte in den Fächern Kommunalrecht und Verwaltungsbetriebslehre. Ab 1. März 2022 übernimmt er in der Samtgemeinde Papenteich die Leitung des Ordnungs- und Standesamtes.