Feierstunde zum Tag der Deutschen Einheit auf dem Brocken

Rede zum Tag der Deutschen Einheit auf dem Brocken,

von Oliver Junk, Präsident Harzklub, 03.10.2023

 

(….)

Für uns ein Feiertag, nicht nur auf dem Papier. Vielen Dank, dass Sie alle hier sind und diese Tradition mit uns pflegen.

 Fürwahr, wir standen hier in der Vergangenheit schon sorgenfreier zusammen:

 -       Immer noch Krieg in der Ukraine, ein Ende ist nicht abzusehen
-       Weiterhin abertausende von Menschen, die täglich in Europa und in unserem Land Zuflucht suchen. Altbundespräsident Joachim Gauck sagte vor wenigen Tagen: „Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“
-       Der Klimawandel mit allen damit verbundenen Herausforderungen ist bei uns gegenwärtig. Ground Zero des globalen Klimawandels wird der Harz von der Future Forest Initiative aus Blankenburg bezeichnet.

Und bei allen Sorgen spüren wir noch dazu viel Frust in unserem Land:

Frust über den Krieg, Frust über Kompetenzwirrwarr im föderalen Staat, Frust über Maßnahmen während und Bewältigung der Corona-Pandemie, Frust über Bevormundung „von oben“. Gerade an der Stelle sind verständlicherweise die Ostdeutschen besonders sensibel, die unter der Scheindemokratie der SED gelitten haben.

 

Viele Bürger erleben den Staat als umständlich und ineffizient“ war am vergangenen Sonntag in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu lesen.

Leider nehmen wir nicht hinreichend war, was funktioniert (z. B. dass wir auch über die Corona-Krise einen hohen Beschäftigungsstand erhalten konnten, Energieengpässeexzellent gemanagt werden konnten und das schwierige und gefährliche Thema Inflationmit wirkungsvollen Maßnahmen wieder gedämpft werden konnte). Vielmehr wird zuerst wahrgenommen, was nicht funktioniert. Damit liegt der Ball auf dem Elfmeterpunkt der AfD. Die Wahlerfolge dieser Partei muss allen Demokraten Angst machen und uns herausfordern.

 Sie fragen sich, was das mit dem Harzklub und unserer Feierstunde auf dem Brocken zum Tag der Deutschen Einheit zu tun hat?

 Ich möchte Ihnen die Antwort geben und es auf einen so kurzen wie eindeutigen Satz reduzieren:

 Ohne aktive Zivilgesellschaft und starke Vereine wie den Harzklub keine freiheitlich demokratische Grundordnung. Die  Zivilgesellschaft mit ihren Vereinen ist Träger jeder funktionierenden demokratischen Gesellschaft. Demokratie lebt von Demokraten.

Es geht in unserer repräsentativen Demokratie um vielmehr als alle 5 Jahre oder 7 Jahre oder 8 Jahre einen Wahlzettel in die Urne zu werfen - oder gerade nicht. Teilhabe und Partizipation – unabhängig vom Wahltag – ist wichtiger Baustein des Demokratiegebots.

(….) Es ist großartig, dass wir den Tag der Deutschen Einheit hier auf dem Brocken feiern können. Wir haben das keiner Regierung und keiner Partei zu verdanken. Denn es war keine Regierung und keine Partei, die dazu eingeladen hatte,  den eisernen Vorhang – auch hier auf dem Brocken am 03.12.1989 – einzureißen. Es war der Mutausbruch, es war die Kraft der Zivilgesellschaft.

Darf das nicht stolz machen? Und darf das nicht auch beruhigen? Bei allen von mir angesprochenen Krisen, bei allem Frust. Wir werden auch die aktuellen Krisen meistern. Wir haben in fast 75 Jahren Bundesrepublik Deutschland erfahren, dass sich auch schwere politische Krisen meistern lassen ohne damit unsere Regierungsform, die freiheitlich-demokratische Grundordnung, das Wesen der repräsentativen Demokratie in Frage zu stellen. Wir meistern die Krisen und hier im Harz haben wir es erst vor wenigen Tagen bewiesen. Exakter formuliert:  Nordhausen hat es bewiesen. Und zwar nicht ein Bürgermeister oder der Stadtrat oder der Landrat oder die Landesregierung. Vielmehr ist es dem beispiellosen Engagement der Zivilgesellschaft in Nordhausen ist es zu verdanken, dass in dieser Stadt ein AFD-Mann als Oberbürgermeister verhindert wurde. Nordhausen und der Harz als Raum der Zuversicht.

Und deshalb geht mein Appell an Sie, die Gäste und Freunde des Harzklubs, mein Appell an die Mitglieder des Harzklubs: Es ist an uns. Wir sind keine Zuschauer der Demokratie und schauen politisches Theater. Wir alle sind als Zivilgesellschaft Träger der Demokratie.

Der Harzklub deckt ein breites Spektrum von Aktivitäten ab: Soziales Engagement, Engagement für unsere Heimat, das Brauchtum, die Infrastruktur, die Umwelt, den Wald, den Klimaschutz. Als Träger von kulturellen Veranstaltungen und Angeboten, so wie beispielsweise diese Harzklub Veranstaltung heute auf dem Brocken, durch die Ausgestaltung unseres Vereinsleben übernehmen wir eine wichtige kulturelle Funktion.

Der Harzklub macht aber noch viel mehr: Wir bieten Raum für Diskurs und Austausch. Wir bieten Möglichkeiten der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und sind damit wichtiger Bestandteil der Alltagskultur im Harz. Wir bieten Möglichkeiten zur Begegnung der Generationen und zum Zusammenwirken von Menschen unterschiedlichen Alters. Und wir sind Plattform bei der Herstellung von Beziehungen zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft.

Das Vereinswesen hat aber auch eine politische Bedeutung. Vereinsrecht, Satzungsrecht, Wahlen und Abstimmungen. Vereine sind Schule der Demokratie und Basis eines politischen demokratischen Gemeinwesens. Der Harzklub bietet damit auch Raum für gesellschaftliche Einflussnahme. Wir sind Hort ehrenamtlicher Tätigkeit und des sozialen Engagements. Unser ehrenamtliches Engagement setzt Werte wie Gemeinschaftssinn, Verantwortungsbewusstsein, Pflichtbewusstsein und Zivilcourage. Tugenden, liebe Wanderfreunde, die in einer pluralistischen und demokratischen Gesellschaft für das Zusammenleben unerlässlich sind.

Wir sind durch unsere Aktivität Kitt der lokalen und regionalen Gesellschaft.

Besser formuliert: Wir sind das Harz, harter und fester Klebstoff der Zivilgesellschaft im Harz.

Wir alle haben die Verantwortung. Verantwortung für unsere Wälder und den Klimaschutz, Verantwortung für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen wie der Traditionen, Verantwortung für unsere Gesellschaft und die Demokratie.

Und genau deshalb stehen wir hier zusammen und feiern den Tag der Deutschen Einheit, den Sieg der Demokratie und der Freiheit.

Ich wünsche mir sehr, dass wir alle, dass jeder einzelne von Ihnen, sich zu dieser Verantwortung bekennt. Dazu gehört das Bewusstsein, dass Demokratien auch Demokraten erfordert. Und dazu gehört, dass die Übernahme von Ehrenamt und von bürgerschaftlichem Engagement die notwendige Bedingung für das Zusammenleben in unserem freien Land bildet und dieses trägt.

Es lohnt sich. Machen wir uns an diesem Feiertagtag immer wieder bewusst, dass es ohne den Mut und das Engagement und die Kraft der Zivilgesellschaft von 1989 heute hier auf dem Brocken nichts zu feiern wäre.

Ich wünsche mir heute gelegentlich ein wenig mehr Mut, Kraft, Geist, Engagement und Verantwortungsbewusstsein in unserer Gesellschaft.

Meine Vorbilder dafür sind die Menschen von 1989, die uns diese Feierstunde heute ermöglicht haben. Einige von Ihnen sind heute unter uns.

Vielen Dank.

 

 

 

Oliver Junk